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Prix Georges Villain d'histoire de l'art dentaire

DIE ZAHNÄRZTLICHE PRAXIS IN DEN KONZENTRATIONSLAGERN
DES DRITTEN REICHS

Xavier Riaud

Im Jahre 1933 wurde das erste Konzentrationslager unter Führung der SS in Dachau eröffnet. Dies war der Beginn einer Welt der Bestialität und des Terrors im wahrsten Sinne des Wortes.

Weshalb aber, unter dem Kontext der Tragik, der Herzlosigkeit, wo der geringste Hoffnungsschimmer alsbald niedergeschlagen wurde, dann zahnärztliche Behandlung?

Faktisch existierten drei Formen:

- Die zahnärztlichen Experimente im Mund der Gefangenen

- Die Rückgewinnung von Zahngold und dessen Verarbeitung

- Die Zahnbehandlungen der Deportierten


Die zahnärztlichen Experimente

- Geschichte

Beim Eintreffen der Transporte selektierte der SS-Arzt Dr. Mengele 1,2,3,11 Kinder von Zigeunern, die ein Noma (Stomatitis ulcerosa sive gangraenosa) aufwiesen. Diese wurden exekutiert, dekapitiert und ihre Köpfe wurden an das Hygiene-Institut der SS nahe Auschwitz geschickt, wo histologische Schnitte angefertigt und die Erkrankung studiert wurde.

- Anthropologie

Prof. August Hirt von der Medizinischen Fakultät Strasburg 10 ließ 115 gefangene Juden in gutem Gesundheitszustand von Auschwitz, ins Lager Struthof-Natzweiler kommen. Er ließ sie vergasen und bearbeitete die Leichen so dass die Skelette und vor allem die Schädel gut erhalten blieben. In seinem Schriftwechsel mit dem SS Reichsführer Himmler gestand er, dass sein Ziel die Einrichtung eines Museums jüdischer Morphologie und Anatomie war.

In Dachau 23 gingen regelmäßig Aufträge zur Schädelbeschaffung ein, die dem gleichen Zweck dienten.

In Buchenwald5 führten die Nazis schließlich Experimente zur Entfernung der Köpfe durch.

- Pharmakologie

Dr. Rascher 1,2,3, ein Nazi-Arzt, führte in Dachau ein Antikoagulantium ein, Polygal 10, das im Zahnarztraum hauptsächlich an Gefangenen getestet wurde. Verliefen die Tests nicht zufriedenstellend, so wurden Wunden durch Schüsse künstlich provoziert.

- Chirurgie

Dr. Munch 11, SS-Arzt in Auschwitz, war davon überzeugt, dass Zahngranulome die Ursache für Rheumatismus seien. Deshalb führte er zahlreiche Zahnluxationen bei den Gefangenen durch. In den Alveolen siedelte er Kulturen an. Daraus entnahm er ein Infiltrat, das er den Gefangenen injizierte.

Dieses Experiment führte nicht zum gewünschten Erfolg, hatte jedoch dramatische Folgen für die ´Versuchskaninchen`.


Die Rückgewinnung von Zahngold

Sie geht zurück auf den Befehl von Himmler 9,16, Reichsführer-SS, vom 23. September 1940, und der Verlautbarung des Befehls vom 23. Dezember 1942: «Systematisch vorzunehmen ist die Wiedergewinnung von Zahngold von Leichen und Goldzähnen von Lebenden, wenn die Zähne nicht mehr restaurierbar sind ».

Nach der Vergasung wurde den Toten das Zahngold durch Mitgefangene 7,8 entnommen.

In der Goldschmelze der Krematorien 12,13 wurde Schwefelsäure zur Entfernung der Weichteile verwendet. Es wurden Goldbarren gegossen (Zylinder von 140g oder Halbkugeln von 500g 4). Einmal wöchentlich sammelte ein SS-Offizier das Gold ein und übergab es zwecks Horten dem Lagerkommandant. Einmal monatlich oder jährlich wurde das Gold im Auftrag des Lagers in das Lager OranienburgSachsenhausen bei Berlin transportiert. Dort wurde die gesamte Sammlung der SSPlünderungen zentralisiert. Danach gelang das Gold in die Verwaltungszentrale der SS nach Berlin9,16, wo es nachts in die Keller der Reichsbank transportiert wurde. Das Gold wurde in traditionelle Barren gegossen und mit abgelaufenen Stempeln der Jahre 1935-1937 versehen, damit man glauben könnte, es entstamme der Vorkriegszeit. Der Wert wurde auf ein Konto der Reichsbank verbucht, unter dem fiktiven Namen Max Heiliger. Diese Schätze wurden dann regelmäßig in die Keller Schweizer Banken transportiert. Der Währungswechsel legalisierte somit die Herausgabe von Geld an die Nazis, zur Beschaffung von Rohstoffen, die wiederum für Kriegszwecke bestimmt waren..

Aus einer Tonne Zahngold wurden so 500kg zurückgewonnen24. Aufgrund dieser Schätzung erhielten die Opfer des Holocaust eine Wiedergutmachung von 750.000 US$. Dies ist eine Schätzung, die den zum Überleben notwendigen Tauschhandel unter den Gefangenen, und die Diebstähle durch die gesamten Verwaltungsdienstgrade in der Hierarchie der Lager hindurch nicht berücksichtigt.

Sicher ist: 25kg Zahngold wurden in Mauthausen und 100 bis 500g in Buchenwald während der gesamten Kriegszeit eingesammelt


Die Zahnbehandlungen der Deportierten

Weshalb ?

Bei der Ankunft der Transporte in den Lagern fand durch die Nazis die Selektion statt, wer in die Gaskammer geht, ursprünglich und vorwiegend jedoch Juden. Die Personen mit gutem Gesundheitszustand nahmen an den Kriegsanstrengungen der Nazis teil und arbeiteten für sie. Ein Deportierter mit Zahnerkrankung arbeitet schlecht und ist unproduktiv. Deswegen, aus wirtschaftlicher Sorge, erhielt er zahnärztliche Behandlung.

Welche Zahnerkrankungen fanden sich ?

Es gab nur geringen neuen Kariesbefall, was auf die zucker- und glukosearme Ernährung im Lager zurückzuführen ist. Bereits vorhandener Befall weitete sich aus und verursachte zahlreiche Pulpitiden und Abszesse. Die Art der Ernährung führte in zahlreichen Fällen zu Avitaminosen 14,17,21:

- Vitamin B (Glossitiden, Perlechien – Mundwinkelrhagaden,-geschwüre, Cheilitiden)

- Vitamin C (Knochenabbau, Gingivitiden, Zahnlockerungen, Zahnverlust) Schließlich, als Folge wiederholter Schläge, Folterungen, Traumata: Bruch der Zahnkronen, der Zähne, der Kiefer.

Wie erhält man Zugang zu Behandlungen ?

Vor 1939 musste der Deportierte in Buchenwald die Zahnbehandlung schriftlich bei der Verwaltung beantragen, die Behandlung war vorher an die Lagerverwaltung zu zahlen 19.

Nach 1939 musste er die Befugnis beim Kapo, dem Chef der Baracke, einholen, der ihm eine Bescheinigung für eine Notfallbehandlung zukommen ließ. Oder er wurde auf die Gefangenenliste für die Zahnbehandlung auf der Krankenstation des Lagers am nächsten Tag gesetzt. Vielleicht hatte er Glück und kannte jemanden oder traf jemanden, der ihm Zugang dazu verschaffte. Außerdem entsprach es der Funktion des Kontextes und der Konfiguration der Konzentrationslager, dass ein SSBeauftragter über den Zugang zur Behandlung entschied. Schließlich funktionierte die Heimlichkeit und Solidarität, die alles regelte.

Wer war für die Behandlung zuständig ?

Die groben Lager verfügten über Zahnbehandlungseinrichtungen, in denen SSZahnärzte tätig waren (etwa 100 im Jahr 1939 von insgesamt 16.300) 24.

Professionelle Mediziner hatten die schwierige Aufgabe, die Schmerzen ihrer Kameraden mit oft prekären Mitteln zu lindern. Sie waren Ärzte , Zahnärzte, die eines gemeinsam hatten, nämlich ihre Deportation. Zahntechniker sahen sich gezwungen zu praktizieren. Es gab nicht selten solche, die weder Mediziner noch Zahnarzt waren und völlig fachfremd improvisierten, was natürlich verheerende Folgen für ihre Patienten hatte.

- Die Kommandos verfügten nicht immer über das nötige Personal, um den zahnmedizinischen Bedürfnissen gerecht zu werden. Jedenfalls wurden die Gefangenen unter guter Bewachung begleitet.

Sie wurden zum Zahnarztraum des Lagers zum Zahnarzt einer angrenzenden Stadt zu gefangenen Zahnärzten zu Zahnärzten einer benachbarten Reichsarmee geschickt.

- Wandernde Zahnarztausschüsse reisten von Lager zu Lager. Waren es SSMitglieder, so zogen sie die Zähne mit aller Gewalt. Waren es Gefangene, linderten sie das Leid Ihrer Religionsgenossen so gut es mit ihren geringen Mitteln ging.

Welche Art der Behandlung gab es?

Grundsätzlich wurde erst einmal extrahiert. Es wurde aber auch Karies behandelt, Zahnbelag (Zahnstein) entfernt, Abzessdrainagen gelegt, Zahnfleisch wurde mit Chromsäure touchiert, Kiefer wurden fixiert, Zahnprothesen gab es nur wenige und selbstverständlich meist nur für Persönlichkeiten des Lagers (44 Fälle im August 1943 im Zahnarztraum der Gefangenen von Auschwitz für eine Zahl von 100.000 Gefangenen). Über zahnerhaltenden Behandlungen, und über endodontische Behandlungen an Gefangenen wurde in Buchenwald (712 von März 1943 bis März 1945) und in den monatlichen Berichten der Zahnarztstation von Auschwitz (60 im Juni 1944) ein Register angelegt.

Statistiken

1939 6 bis 8 Patienten im Zahnarztraum der Gefangenen von Buchenwald

1944 160 Patienten pro Woche bei einer Gefangenenzahl von 63.000 ebenfalls in Buchenwald

1944 52 bis 63 männliche Patienten pro Woche und 27 bis 34 weibliche Patienten bei einer Anzahl von 100.000 Gefangener in Auschwitz


Schluss

Die bekannteste der Praktiken war die Sammlung von Zahngold , aber ungeachtet des anekdotischen Beigeschmacks, ist die Existenz einer Zahnbehandlung bei den Deportierten unbestreitbar. Auch wenn Erkrankungen im Mund- und Zahnbereich nicht zum Tode führen, so konnten sie ein chronisches Leiden zur Folge haben, das weitgehend zum physischen und seelischen Verfall der Gefangenen beitrug. Unsere deportierten Kollegen opferten sich manchmal dafür auf, dieses und andere Leiden einzudämmen. Sie linderten die Schmerzen, halfen beim täglichen Kampf, begleiteten ihre Kameraden viel zu oft in den Tod und waren dabei Trost und Stütze. Man sollte sich immer an jene erinnern, die dort in den Tod gingen und auch an jene, die das Glück hatten von dort zurückzukehren, Niemals darf vergessen werden, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.

 

BIBLIOGRAPHIE :

(1) AZIZ P., Les médecins de la mort, Famot (éd.), Genève, tomes 2 à 4, 1975.

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(4) Figaro Magazine, n° 16324, cahier n° 3, samedi 08/02/1997, pp.22-25, Paris.

(5) Gedenkstätte Buchenwald, Weimar, Allemagne, communication personnelle, 2002.

(6) Gedenkstätte Dachau, Dachau, Allemagne, communication personnelle, 2002.

(7) Historia, « Les circuits de l’or nazi », n° 609, Paris, septembre 1997.

(8) KOGON E., Les Chambres à gaz: secret d’Etat, De minuit (éd.), Paris, 1984.

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(20) Staatsarchiv Nürnberg, Nürnberg, Allemagne, communication personnelle, 1999.

(21) STROWEIS H., Pathologie bucco-dentaire dans les camps de concentration allemands (1944-1945), Thèse Doct. Chir. Dent., Paris V, 1973.

(22) Service d’informations des crimes de guerre, Camps de concentration, Office français d’Etat (éd.), 1946.

(23) Yad Vashem, Jerusalem, Israël, communication personnelle, 1997.

(24) Zahnärztliche Mitteilungen, « Deutsche Zahnärzte 1933 bis 1945 », 1996 und 1997.


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